Prinz in Badehosen. Das etwas andere Beach Volleyball Turnier in Marokko

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Prinz in Badehosen. Das etwas andere Beach Volleyball Turnier in Marokko

Culture Clash beim internationalen Beach Volleyball Turnier am Strand von Marokko. Eine Begegnung mit Kamelen, Frauen in Bikini und Burka, und Prinzen in Badehosen.

Von Judith Beck

„Fill out this form, please.” Die Stewardess reicht mir einen Fragebogen, ein Visum für die Einreise nach Marokko. In fünfzehn Minuten werden wir den Flughafen von Casablanca erreichen. Ich blicke aus dem Fenster. Ton in Ton liegt Nordafrika unter mir. Vereinzelte weiße Häuser im Braun der kargen Landschaft. Ich widme mich dem Fragebogen, beteuere, dass ich kein Terrorist bin, und gebe den Grund meines Aufenthalts an: „Beachvolleyball. Invited by the Fédération Royale Marocaine de Volley Ball“.

Luis hat uns vor der Reise informiert, was wir schreiben sollen, damit es keine Probleme gibt. Luis ist Kommentator und bei nahezu jeder bedeutenden Beachvolleyball-Veranstaltung dabei: Grand Slam, EM, WM, Olympische Spiele. Beim Turnier in Marokko ist Luis Promoter, zusammen mit seinem marokkanischen Partner Allam.

Judith Beach Volley ♡

Im Flughafen Stau vor der Passkontrolle. Das Geduldsspiel dauert zwei Stunden. Die Beamten kontrollieren akribisch, verlassen gelegentlich ihre Posten, plaudern mit den Kollegen. Der Großteil der Leute um mich herum nimmt das gelassen. Ich falle auf, unverschleiert wie ich bin, in Sportklamotten, mit blonden Haaren und bleicher Haut. Zwei verschleierte Frauen mitsamt Kinderschar drängen sich vor mich in die Schlange. Ich lasse das nicht auf mir sitzen, zwänge mich vorbei und kassiere arabische Beschimpfungen. Als der nächste Kontrolleur frei wird, sprinte ich hin und lasse die wütende Bande hinter mir. Mit dem Stempel im Reisepass fliehe ich in die Empfangshalle. Marokkaner recken Schilder in die Höhe, auf denen die Namen ihrer Gäste stehen. „Judith Beach Volley“ lese ich auf einem der Schilder und bin erleichtert.

Ren­dez-vous mit dem Prinzen

Der Mann hinter dem Schild sagt kein Wort, nimmt meinen Koffer, und läuft zum Parkplatz. Zack, sitzen wir im Auto, und auf geht’s nach Casablanca. Die Straßen sind verstopft. Autos und Lastwagen, Pferdegespanne, auf dem Bock Bauern, die Gemüse transportieren. Ein alter Mann führt seinen voll bepackten Esel am zähfließenden Verkehr vorbei. Wir erreichen das Zentrum Casablancas und parken direkt vor einem Geschäft mit der Aufschrift „Allam Sport“. Gerade noch in einer fremden Welt, holt mich der Laden zurück in bekannte Gefilde: Adidas-Trainingsanzüge, die neueste Bikini-Kollektion, mehrere Crosstrainer. Hinter einem Schreibtisch sitzt lässig ein Marokkaner. Schick gekleidet, Sonnenbrille. Er telefoniert. Der Chauffeur deutet auf den Mann: „Allam“, sagt er mit ausgestrecktem Zeigefinger und verschwindet. Allam beendet sein Telefonat und wendet sich mir zu: „Willkommen in Marokko“, sagt er auf Deutsch. „Du bist die erste. Die anderen Spieler kommen morgen.“

Mit einem Satz springt er auf, packt Handy und Schlüssel. „Ich habe eine Verabredung mit dem Prinzen. Du kannst mitkommen.“ Ich schnappe meinen Koffer und eile ihm euphorisch hinterher. Schließlich hatte ich noch nie ein Date mit einem Prinzen. Wir fahren entlang des Atlantiks Richtung Norden. „In Casablanca lässt es sich gut leben“, sagt Allam „es gibt viele Wohlhabende hier.“ Er ist einer von ihnen.

Aufregung zwischen Gucci und Dior

Wir halten vor dem schwer bewachten Anwesen des Prinzen direkt am Strand. Ein Wink meines Begleiters und Bedienstete parken unsere Limousine. Allam eilt telefonierend voraus in die todschicke Lobby, ich hinterher. Wir gehen ins Freie, vorbei am Pool und gelangen zu kleinen Bungalows. Ich bekomme meinen eigenen – für die fünf Stunden, die wir dort sind. Ich dusche mich und teste alle Flakons, Fläschchen, Dosen, die ums Waschbecken drapiert sind. Vor den anderen Bungalows entspannen Marokkanerinnen in Gucci, Dior, Chanel, Luis Vuitton. Schleier macht Gucci keine.

Allam küsst alle und alle küssen Allam. Ich begrüße die Mädchen und den hässlichen Mann, der aus einem der Bungalows watschelt. Allam verbeugt sich tief, große Aufregung bei den anderen: der Prinz in Badehosen. Über dem Bund eine Prinzenrolle. Wo die Rolle herkommt, wird beim Festmahl klar, das kurze Zeit später auf der Terrasse aufgefahren wird. Ich nehme ein Steak, medium. Perfekt. Dazu gibt es Bier und Wein, danach Cocktails. Die Gäste werden immer fröhlicher. Wir tafeln zwei Stunden.

So geht Couscous

Am späten Abend sind wir zurück in Allams Stadtwohnung in Casablanca. Es duftet aus der Küche, als seine Haushälterin Fadoua die Tür öffnet. Der Tisch ist gedeckt. Salate, Obstteller und Getränke stehen bereit. Auf Kommando serviert Fadoua das marokkanische Nationalgericht Couscous. Alles schmeckt ausgezeichnet. Trotzdem hat ihr Chef etwas auszusetzen. Fadoua wohnt in einer Nische des Wohnzimmers. Sie arbeitet sechs Tage die Woche, ist immer parat, wenn Allam etwas braucht. Das Haus verlässt sie nur zum Einkaufen, und an ihrem freien Tag. Diese Nacht bin ich Gast im Hause Allam. Ich bekomme mein eigenes Zimmer und mein eigenes Bad. Allam geht noch aus, zu seiner Freundin. Ich falle todmüde ins Bett.

Bikini trifft Burka

Dann treffen die restlichen Beachvolleyballer ein, auch meine Partnerin. Die anderen Teams sind aus den USA, Großbritannien, Serbien, Italien, Frankreich und Spanien. Viele von ihnen sind Ex-Profis, manche Nachwuchstalente. Manche sind keines von beidem – so wie ich. Das erste von vier Turnieren ist in Marokkos Hauptstadt Rabat. Es geht darum, Beachvolleyball im Land bekannt zu machen. In keinem anderen Sport gibt es eine Maximalbreite der Bikinihöschen. Sieben Zentimeter ist das Höchstmaß. Dieses Reglement wurde in Europa kontrovers diskutiert, weniger von den Spielerinnen als vielmehr von Politik und Kirche. Die Marokkanerinnen klatschen, sind neugierig, keine Spur von Empörung über die knappen Outfits. Die Männer wollen Autogramme und Fotos mit uns.

Alles ist wie bei einem großen Turnier: Tribünen, Flaggen der teilnehmenden Staaten und Luis, der Kommentator, lockt in zehn Sprachen Zuschauer zum Event. Als ein Araber mit seinem Kamel am Court vorbeiläuft, machen beide große Augen. Auch die besten Beachvolleyball-Teams Marokkos finden sich in Rabat ein. Sie landen ganz hinten. Wir fast. Nach zehn Tagen Prinzessinnen-Lifestyle fliege ich nach Madrid. Dieses Mal geht es zu den Königlichen.